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Die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal kritisiert die Aufstellung des Bebauungsplans "Kanzlerfeld" an der Kreuzstraße.
Beantragt ist die Ausweisung eines Sondergebiets für Lager und Logistik der Firma Stang Baustoffhandel.
Die Fläche wurde vom Landratsamt im Zuge einer Bauleitplanung aus dem Landschaftsschutzgebiet "Egartenlandschaft um Miesbach" herausgenommen.
Künftig wird sich das LRA derartige Verwaltungsakte ersparen können: Die Landschaftsschutzverordnung wurde sabotiert und tritt außer Kraft.
So wird es Bauwerbern in spe leicht gemacht, im Außenbereich Baurecht zu erlangen.
Lesen Sie hierzu unsere fundierte Stellungnahme im Wortlaut:


3. Änderung des Flächennutzungsplanes und Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 45 "SO Kreuzstraße II-BSA Gelände"

 

 1. Vorbemerkungen

Die Gemeinde Gmund am Tegernsee beschloss in der Gemeinderatsitzung vom 27.04.2021 für die Grundstücke Fl.Nr. 461, 461/1, 461/2 und 463/2 der Gemarkung Dürnbach eine Änderung des Flächennutzungsplans und die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Das Gebiet wird derzeit als Bauschuttsortieranlage des Landkreises Miesbach genutzt und befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Kiesgrube. Es grenzt direkt westlich an die bereits bestehende Abfüllanlage der Brauerei Tegernsee an. Beide Gebiete wurden im Rahmen des Bebauungsplans für die Abfüllanlage mit Wirkung vom 10.09.2008 aus dem bestehenden Landschaftsschutzgebiet "Egartenlandschaft um Miesbach" herausgenommen. Zur Begründung diente damals das bereits vorhandene Gewerbe der Bauschuttsortieranlage. Die Abfüllanlage wurde zwischenzeitlich innerhalb der vorgegebenen Grenzen erweitert.

Das aufgelassene Kiesgrubengelände soll als Sondergebiet für Lager und Logistik ausgewiesen werden. Geplant ist die Ansiedlung eines in Moosrain ansässigen Unternehmens mit einem Bedarf an überbauter Fläche von über 1,7ha (ohne Zufahrts- und Rangierflächen) zuzüglich Verkehrs- und Erweiterungsflächen bis zu einer Gesamtgröße von 4 - 4,5ha. 4ha. Die bestehende Bauschuttsortieranlage soll zumindest teilweise erhalten bleiben und wird nur auf der Fläche verlagert. Die Gemeinde strebt eine künftige Weiterentwicklung der Gewerbeflächen nach Norden und Westen an und hat diese bereits vorsorglich als "Potentialflächen" im Rahmen der Fortschreibung des Regionalplans zum Thema Siedlungsentwicklung gemeldet.

 

  1. Grundsätzliche Anmerkungen

1.1.      Landschaftsschutz

Zwar wurde das Planungsgebiet formell zusammen mit der benachbarten Abfüllanlage aus dem bestehenden Landschaftsschutzgebiet "Egartenlandschaft um Miesbach" herausgenommen, es liegt jedoch nach wie vor im bedeutendsten und repräsentativsten Schwerpunktgebiet der Haglandschaft zwischen Moosrain, Schaftlach und Bernloh und ist für die gesamte bayerische Alpenrandzone von singulärem Wert. Ausschlaggebend für die hohe Bewertung ist v.a. die bemerkenswerte Hagdichte, die arten-, struktur- und variantenreiche Ausprägung der Hage sowie ihr vorbildlicher Erhaltungszustand. Besonders wertgebend ist darüber hinaus die kulturhistorisch gewachsene Einbettung der Hage in landwirtschaftlich genutzte Wiesen und Weiden, die von den verstreut liegenden Einzelhöfen bewirtschaftet werden. Das Gesamtbild und der Erlebniswert des Kerngebiets der Haglandschaft, für das der Landkreis Miesbach eine besondere Erhaltungsverantwortung besitzt, wird durch die inselartige Einlagerung der Gewerbeflächen abseits vorhandener Siedlungsstrukturen deutlich geschmälert.
Die bereits bestehende Abfüllanlage wird trotz Sichtschutzpflanzungen aufgrund ihrer massiven Zweckbauweise als Störfaktor wahrgenommen. Diesen Störfaktor durch die Ansiedlung von weiterem Gewerbe nicht nur zu manifestieren sondern zu vergrößern und nach Möglichkeit noch weiter zu entwickeln widerspricht dem Ziel der Landschaftsschutz-VO und muss auch angesichts des damit eng verbundenen Arten-, Biotop- und Lebensraumschutzes sehr kritisch hinterfragt werden.

In diesem Zusammenhang sei angesichts der aktuellen Diskussion um die Gültigkeit der Landschaftsschutzgebietsverordnungen im Landkreis Miesbach darauf hingewiesen, dass die SGT keinen Grund sieht, an der Wirksamkeit der im Jahr 1955 rechtskräftig erlassenen LSG-VO für die "Egartenlandschaft um Miesbach" zu zweifeln.

 

Fast zeitgleich zur Planung der Abfüllanlage wurde im selben Schwerpunktgebiet der Haglandschaft nur knapp 1,5 km entfernt ein Gewerbegebiet der Nachbargemeinde in Krottenthal ausgewiesen. Es handelt sich also nicht um einen singulären Einzelfall mit vernachlässigbarer Raumwirkung. Vielmehr steht zu befürchten, dass die alten (damals von der Regierung abgelehnten) Pläne der Gemeinde Gmund für ein großangelegtes und möglicherweise gemeindeübergreifendes Gewerbegebiet an der Kreuzstraße nie ganz aufgegeben wurden und dieses nun in Salamitaktik verwirklicht werden soll.

 

1.2.      Flächenverbrauch im Außenbereich

Laut LEP (2013) soll eine weitere Zersiedlung des Außenbereichs vermieden und im Zweifelsfall ökologischen Anliegen Vorrang gewährt werden. In der Praxis gilt dies jedoch hauptsächlich für Neuansiedlungen im Außenbereich. Deshalb werden bereits bestehende gewerbliche Nutzungen gern als Begründung für zusätzliche Nutzungserweiterungen herangezogen.
Die Argumentationskette im vorliegenden Fall ist jedoch mehr als zweifelhaft:

Die Planung beruft sich unter anderem auf die bereits erfolgte Herausnahme aus dem Landschaftsschutzgebiet und das in Form der Abfüllanlage bereits vorhandene Gewerbe. Als Begründung für die Herausnahme der zuvor im LSG liegenden Flächen der Abfüllanlage (15. Verordnung zur Änderung der Verordnung des Landkreises Miesbach über das Landschaftsschutzgebiet "Egartenlandschaft um Miesbach" vom 05.08.2008) diente dem LRA Miesbach wiederum das bereits vorhandene Gewerbe (Bauschuttsortieranlage) und die daraus gefolgerte nicht vorhandene besondere touristische Wertigkeit bzw. Eignung als wichtiger Erholungsraum für die Bevölkerung (Schreiben an die BN-Fachabteilung München vom 26.01.2009). Durch die Änderung der LSG-VO wurden nicht nur Außenbereichs-Flächen zum Bau der Abfüllanlage freigegeben, sondern gleichzeitig der Missstand der seit Jahren im LSG betriebenen, nicht landschaftskonformen Bauschuttsortieranlage formell beseitigt. Die über lange Zeit im LSG betriebene Sortieranlage stellte ihrerseits jedoch bereits eine Folgenutzung des zuvor betriebenen Kiesabbaus dar, der im Verfahrensablauf einige Ungereimtheiten aufweist. Denn weder ist bekannt, ob es für den Kiesabbau überhaupt eine Genehmigung gibt, noch gibt es Unterlagen über einen erfolgten Ausgleich für den ursprünglich vorhandenen naturnahen Laubmischwald, der dem Kiesabbau geopfert wurde.

In der Argumentationskette wird die drastisch zunehmende Eingriffsschwere der einzelnen Ansiedlungen bisher überhaupt nicht berücksichtigt. Während eine Kiesgrube mittel- bis langfristig wieder in einen Laubmischwald hätte zurückgeführt werden können, führte die nachfolgende Baustoffsortierung offensichtlich zu nachhaltigen Bodenbeeinträchtigungen durch Schadstoffe und die angegliederte Abfüllanlage manifestiert sich bereits als langlebige Gewerbeansiedlung mit versiegelten Flächen, die ihrerseits weitere Begehrlichkeiten für Flächeninanspruchnahmen fördert. Auch der im LEP geforderte Vorrang ökologischer Belange, die nun nach Jahren im Rahmen der saP deutlich dargelegt werden konnten, wurden in der gesamten Argumentationskette völlig vernachlässigt. Diese Handhabung steht nach Ansicht der SGT in einem deutlichen Widerspruch zu den Landesentwicklungszielen, die einen verantwortungsvollen Umgang mit Natur und Landschaft sowie den vorhandenen Flächenressourcen einfordern.

Wegen der großen Bedeutung für die weitere Landschaftsentwicklung hält die SGT in diesem Zusammenhang eine Überprüfung der Genehmigungsunterlagen für den ursprünglichen Kiesabbau und der Bauschuttsortieranlage als Folgenutzung für dringend erforderlich. Des weiteren muss überprüft werden, ob diese Nutzungen überhaupt ausgeglichen wurden und falls ja, welche Ausgleichsmaßnahmen erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Auszugehen ist dabei von dem ursprünglich auf der Fläche vorhandenen Waldbestand dessen letzter Überrest noch im Rahmen der Biotopkartierung erfasst (Biotop Nr. 8236-26, 27) wurde. Mittlerweile fiel auch dieser Rest dem Kiesabbau zum Opfer. Sollten sich hier Defizite im Verfahrensablauf bzw. bei der Umsetzung ergeben haben, käme das ganze Begründungs-Konstrukt für bereits umgesetzte und für die jetzt geplanten massiven Versiegelungen im Außenbereich ins Wanken.

 

1.3       Standortgutachten

Die Kreuzung der B 318 und B 472 in Kreuzstraße gilt als besonders problematischer Unfallschwerpunkt. Eine Entlastung bzw. Lösung zeichnet sich angesichts der steigenden Frequentierung mit PKW und LKW, zu denen sich landwirtschaftliche Fahrzeuge und zunehmend Fahrräder und "alternative" Fahrzeuge gesellen, nicht ab. Insbesondere die B 472 ist als stark LKW-befahrene, landkreisübergreifende Querverbindungsstraße am Alpenrand auf einen möglichst hinderungsarmen Verkehrsfluss angewiesen, der durch den fast durchgehenden Ausbau gewährleistet werden konnte. Die Strecke ist mit wenigen Ausnahmen zügig mit 80 - 100 km/h befahrbar.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Ansiedlung eines Logistik-Unternehmens mit starker LKW-Frequenz in direkter Nähe des Unfall-Schwerpunkts Kreuzstraße aus verkehrstechnischer Sicht zielführend ist oder nicht möglicherweise das Unfallrisiko weiter verschärft. Umso mehr gilt dies für die angestrebte Erweiterungsoption.

Der bisherige Verfahrensablauf lässt Zweifel aufkommen, ob bisher ein solides Standortgutachten erstellt wurde, in dem neben privatwirtschaftlichen Interessen auch die Belange der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und des Naturschutzes hinreichend geprüft wurden. Insbesondere der herausragende Wert des Schwerpunktgebiets der Egartenlandschaft und die schleichende Verkleinerung von landwirtschaftlichen Flächen erscheinen nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem muss eine Abwägung getroffen werden, ob die Neuversiegelung von 17.000m² und mehr (Verkehrsflächen) in diesem wertvollen Landschaftsausschnitt nicht durch die Nutzung bereits vorhandener Gewerbeflächen vermieden werden kann. Es sei daran erinnert, dass die Firma Stang außer dem Hauptsitz in Moosrain noch weitere Flächen im Landkreis nutzt und an ihrem Stammsitz erst im Jahr 2014 ein Erweiterungsverfahren für den Bau einer Waschhalle angestrengt hat. Obwohl hierfür massiv in biotopkartierte Flächen eingegriffen werden musste (Moosbachverlegung, Versuch einer Neuetablierung von Auwald), wurde diese Halle nie gebaut und soll jetzt am Kanzlerfeld verwirklicht werden. Eine solche Vorgehensweise ist mit dem Gebot des Flächensparens - noch dazu im Außenbereich - nicht mehr vereinbar.

 

  1. Anmerkungen zur konkreten Planung

2.1.      Vorhabensbezogener Bebauungsplan Nr. 45 mit Grünordnungsplan "SO Kreuzstraße II -         BSA Gelände"

Kap. 5.4.4 (Anbindegebot/Standortsprüfung): Eine Beschränkung des Prüfraums auf das Gemeindegebiet ist nicht gerechtfertigt. Vielmehr erscheint eine Prüfung einheitlicher Landschaftsausschnitte erforderlich, denn landesplanerische Aspekte und die Landschaft kennen keine Gemeindegrenzen.

Kap. 5.6.1.1 (Art der baulichen Nutzung): Die in den Zonen SO 1, SO 2 und SO 4 geplanten Wohnungen sind wegen der fehlenden Anbindung an Siedlungsstrukturen und der kaum überprüfbaren Nutzung abzulehnen.
Für notwendige Übernachtungen können entsprechende Zimmer bereit gestellt werden.

Kap. 5.6.1.7 (Geländemodellierungen): Die Beschreibung geplanter Geländemodellierungen ist ausgesprochen vage. Zur nachhaltigen Sicherung der ausgewiesenen Schutzzonen sind hier konkrete Vorgaben zu formulieren.

 

2.2.      Anmerkungen zum Umweltbericht, Teil B vom 07.03.2022

Punkt 2.4 Schutzgut Klima: Es bleibt unverständlich, warum hier nicht auf die nachhaltigen Veränderungen des Lokalklimas durch die Zerstörung des ursprünglich vorhandenen naturnahen Laubwalds eingegangen wird.

Punkt 2.5 Schutzgut Landschaft/Landschaftsbild: Die Behauptung, das derzeitige Planungsgebiet sei durch die bestehenden Hage und Waldstreifen harmonisch in das Landschaftsbild integriert ist irreführend.
Nach erfolgter Bebauung wird der Blick von der Straße insbesondere in den Wintermonaten auf die hinter dem Gehölzstreifen liegende massive Bebauung freigegeben. Weitere, völlig offene Blickschneisen ergeben sich durch die geplante erweiterte Zufahrt und die zusätzliche Ausfahrt. Von einer harmonischen Einbindung kann deshalb keine Rede sein.

Punkt 2.8 Schutzgut Fläche: Neben dem Hinweis auf erfolgten anthropogene Veränderungen durch die Bauschuttsortieranlage und den Kiesabbau hätte zumindest an dieser Stelle der ursprünglich vorhandene naturnahe Laubwaldbestand genannt werden müssen, der bisher nach unserer Erkenntnis nicht ausgeglichen wurde. Die extrem dichte und fast flächenumfassende Bebauung im Außenbereich ist zudem mit den landesplanerischen Vorgaben zum Flächensparen unvereinbar.

Punkt 2.9 Beschreibung der Planung/Erfassung des Eingriffs: Da kein öffentliches Interesse an Wohnungen abgeleitet werden kann und weder das Sondergebiet noch die absolute Außenbereichslage eine Rechtfertigung liefern können, ist der Bau von Wohnungen für Firmenangehörige der Firma Stang und insbesondere für deren Rechtsnachfolger zu streichen.

2.10. Prognose der Entwicklung des Umweltzustands bei Durchführung der Planung:

Punkt 2.10.2 (Boden): Auszugehen ist dabei stets vom ursprünglich naturnah bewaldeten Zustand, der noch nicht ausgeglichen wurde. Die anlagebedingten Umweltauswirkungen auf den Boden ändern sich deshalb von "mittel" auf "stark (Vollversiegelung ursprünglicher Waldböden)". Ebenfalls "stark" sind entsprechend die anlagebedingten Auswirkungen auf das Schutzgut Klima.

Punkte 2.10.5 (Landschaft) und 2.10.7 (Erholung): Der aktuell komplexe Zusammenhang zwischen Wald unterschiedlicher Sukzessionsstadien, Hagen und Wiesenflächen wird zugunsten einer extrem dichten Bebauung und Versiegelung geopfert. Nicht nur die Fläche selbst wird unbrauchbar für Naherholungszwecke (bisher v.a. im Südteil noch möglich), auch das Landschaftsbild der Umgebung wird durch die landschaftsfremde Bebauung ganz erheblich beeinträchtigt.

Punkt V5 in Kap.3 Geplante Maßnahmen zur Vermeidung, Verringerung und zum Ausgleich nachteiliger Auswirkungen: hier Vergrämung, Abfangen und Umsiedlung der Haselmaus:

Generell benötigt die Anlage eines für die Haselmaus geeigneten Lebensraums eine Vorlaufzeit von mehreren Jahren. Die Tatsache, dass bisher keine geeignete Fläche zur Herstellung des endgültigen Lebensraums gefunden werden konnte, lässt erhebliche Zweifel am Erfolg der Maßnahme zu. Die zunächst geplanten Vergrämungs- und Umsiedlungsmaßnahmen von der Halde in den benachbarten und bereits besiedelten Hagbestand am West- (und Süd-)rand des Planungsgebiets beinhalten ein erhöhtes Verlustrisiko, da Revierverhalten, maximale Populationsdichten und Nahrungsangebot nicht hinreichend berücksichtigt werden bzw. untersucht wurden.
Zudem weisen neue Erkenntnisse in Hessen darauf hin, dass die Vergrämung von Haselmäusen zur Vermeidung des Tötungsverbotes nur in den seltensten Fällen in Frage kommt und der Erfolg von Abfängen, wie sie im 2. Winterhalbjahr im Westteil der Halde geplant sind, sehr gering ist (Landesmonitoring 2018, 2019 zur Verbreitung der Haselmaus Muscardinus avellanarius in Hessen).

Grünordnerische Maßnahmen: Die Verwendung von autochthonem Saatgut für Halbtrocken- und Magerrasen sollte auf lokaltypische Arten eingeschränkt werden. Neben Düngerverzicht ist der Aufbau eines durchlässigem Bodens mit geringer oder fehlender Humusauflage eine wichtige Voraussetzung für den Ansiedlungserfolg. Winterlinde und Schlehe fehlen den lokaltypischen Hagen weitestgehend und sollten deshalb aus der Liste gestrichen werden. Die Entwicklung artenreicher Hochstaudenfluren als Entwicklungsziel ist sehr gewagt, da sich in der Regel schnell dominanzbildende Arten durchsetzen. Bei der Fassadenbegrünung sollte in jedem Fall auf ausbreitungsstarke Arten, die in die angrenzenden naturnahen Gehölzbestände einwandern können, verzichtet werden. Eine Angabe der Dachneigung bei Flachdächern wäre hilfreich.
Zudem fehlt hier völlig die Abwägung zwischen Begrünung und der ebenfalls empfohlenen Photovoltaik-Anlage.

 

Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen:

CEF* 2 Aufhängen von Fledermauskästen an Bäumen: Nach neusten Erkenntnissen der Fledermauskoordinationsstellen ist diese Maßnahme weitgehend unwirksam, wenn nicht bereits eine Kastentradition innerhalb der Population vorliegt. Fledermäuse sind in der Regel sehr ortstreu und lassen sich nicht einfach in Kästen umsiedeln. Eine Anerkennung als CEF-Maßnahme ist deshalb nicht möglich.

CEF4 Aufwertung einer Waldfläche und Entwicklung eines Waldmantels als Haselmauslebensraum: Eine Anerkennung als CEF-Maßnahme ist nur dann möglich, wenn die Haselmaus-Individuen aus eigener Kraft in die neu geschaffene Fläche einwandern können. Dies erscheint jedoch völlig illusorisch. Eventuell ist eine Anerkennung als FCS-Maßnahme möglich. Solange keine geeignete Fläche für die Umsiedlung gefunden werden kann, besteht für das Vorhaben keine Genehmigungsfähigkeit.

CEF 5 Aufhängen von Haselmauskobeln in angrenzenden Gehölzen und auf CEF-Flächen: Insgesamt sollen mindestens 20 Haselmauskobel an bestehen bleibenden Bäumen in der CEF-Fläche sowie im südlichen und westlichen Gehölzbestand des B-Plangebietes aufgehängt werden. Abgesehen von der bereits erwähnten, noch völlig unbekannten Aufnahmekapazität der zunächst zu besiedelnden Gehölzstreifen, ist die vorgesehene Menge an Kobeln nicht ausreichend für eine Aufnahme der gesamten Halden-Population. Da Haselmäuse pro Jahr 4-5 Nester anlegen, ergibt sich bei mindestens 6 von der Halde vergrämten Individuen bereits im 2. Jahr ein Bedarf von mindestens 24 Kobeln allein in den südlich und westlich angrenzenden Hagstrukturen.

Punkt 4.2 (Bilanzierung nach dem Leitfaden "Bauen im Einklang mit Natur und Landschaft"): Nicht berücksichtigt werden die südexponierten Kiesböschungen am nordöstlichen Rand mit Pioniergesellschaften artenreicher, trockenheitsertragender Ruderal- und Magerrasengesellschaften (unter anderem mit Vogelfußsegge, Ochsenauge und Fiederzwenke, z.B. an der östlichen Nordgrenze des Planungsgebiets) .
Es ist anzunehmen, dass diese dem Punkt P431(Tab. 7) untergeordnet und mit nur 3 WP unterbewertet wurden. Als Ausgangsvegetation völlig vernachlässigt wird außerdem der ursprünglich vorhandene und bisher nicht ausgeglichene naturnahe Buchenwaldbestand auf einer Fläche von ca. 4,1ha mit einer Bewertung von 12 bzw. 14 WP*. Daraus ergibt sich ein erheblich höherer Ausgleichsbedarf als im Umweltbericht angegeben.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Ausgleich nicht nur rein rechnerisch sondern auch real erbracht werden muss. Der aktuelle Zustand der Ausgleichsflächen für die Abfüllanlage weist diesbezüglich ganz erhebliche Mängel auf.

Der Planungsfaktor von 20% zur Reduzierung des rechnerisch ermittelten Ausgleichsbedarfs kann nicht angewendet werden, da die Vorgaben nicht verbindlich formuliert sind. Dies entspricht nicht den Vorgaben des Leitfadens. Auch die Verwendung versickerungsfähiger Beläge durfte flächenmäßig zu gering ausfallen, um eine Reduzierung des Ausgleichs zu rechtfertigen. Generell ist der Planungsfaktor stets in Relation zur Eingriffsfläche zu setzen, weshalb die in Tab. 9 vorgelegte maximal mögliche Minderung um 20% nicht gerechtfertigt erscheint.

 

2.3       Anmerkungen zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP):

Höhlenbäume: Die bereits vollzogene Fällung kartierter Bäume vor Durchführung der Baumbegutachtung kann so nicht toleriert werden. Bei einer solchen Vorgehensweise stellt sich die Frage, wie artenschutzrechtliche Verbotstatbestände ausgeschlossen werden können und wie dieser Verlust in der Eingriffsbilanzierung Berücksichtigung findet. Hierzu geben die Unterlagen keine Hinweise.

Fledermäuse: Völlig unverständlich ist, warum für die Erfassung der Fledermäuse keine stationären Batcorder entlang der Leitlinien verwendet wurden. Sie liefern im Gegensatz zu den punktuellen und wenigen kurzen Begehungen wesentlich verlässlichere Ergebnisse. Auch die gerade bei Fledermauskartierungen essentiellen Angaben zu Wetterverhältnissen und Uhrzeit der Begehungen fehlen vollständig. Die geringe Anzahl von Funden kann deshalb auch auf Defizite bei der Erfassung zurück geführt werden und liefert keinen sicheren Rückschuss auf eine fehlende Präsenz. Zudem wurde der westliche Gehölzriegel am Rand des B-Plangebiets nicht untersucht obwohl an dieser Leitlinie mit einer verstärkten Fledermauspräsenz gerechnet werden musste.

Haselmaus: Auf die erheblichen Erfassungsdefizite zur Sicherstellung geeigneter neuer Lebensräume nach der Umsiedlung/Vergrämung wurde bereits eingegangen.
Der Erhalt der mittelgroßen lokalen Population ist bei Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen deshalb nicht abgesichert.

Reptilien: Reptilienmatten wurden ausschließlich auf störintensiven Flächen im nordöstlichen und mittleren östlichen Teil des Planungsgebiets ausgelegt. Im Ergebnis wurden keine artenschutzrechtlich bedeutsamen Arten gefunden. Erfolgversprechend wäre dagegen ein Auslegen von Reptilienblechen bzw. -matten südlich der Halde (südlich Haselmaustubes Nr. 29 bzw. 20; vgl. Karte im Anhang 2 der saP) gewesen. Dieser potentiell sehr gut geeignete Bereich wurde jedoch bei der Begutachtung außen vor gelassen. Im Übrigen stellt sich die Frage, wie nach zweimaligem Fund einer "unbestimmten" Eidechsenart das Vorkommen der Zauneidechse kategorisch ausgeschlossen werden kann.

Amphibien: der kategorische Ausschluss von artenschutzrelevanten Amphibien erscheint nicht gerechtfertigt, zumal im Umweltbericht selbst auf ein Vorkommen der Gelbbauchunke im weiteren Umgriff hingewiesen wird und Kiesgruben mit Rohböden und temporär wasserführenden Pfützen zu den prädestinierten Sekundärlebensräumen der Art zählen.

 

  1. Zusammenfassung

Das Vorhaben "SO Kreuzstraße II-BSA Gelände" ist aufgrund der Lage in einem besonders hochwertigen Ausschnitt des Landschaftsschutzgebiets "Egartenlandschaft um Miesbach" sowie wegen der fehlenden Anbindung an Siedlungsstrukturen strikt abzulehnen. Weitere Gründe sind der geplante hohe Versiegelungsgrad bisher weitestgehend unversiegelter Böden (Flächenverbrauch), die zwangsläufige Zerstörung des aktuell vielfältigen Lebensraumangebots und der Mangel an reellen Ausgleichsmöglichkeiten im Umgriff (Biodiversitätsschutz). Besonders kritisch zu sehen sind Erfassungsmängel bei den artenschutzrelevanten Arten sowie ungesicherte Konzepte für deren Vergrämung bzw. Umsiedlung sowie das bisher vollständige Fehlen einer geeigneten CEF-Fläche als Folgelebensraum für die Haselmaus. Schließlich besteht noch vor Einleitung des Genehmigungsverfahrens dringender Bedarf an einer eingehenden Prüfung der bisherigen Verfahrensabläufe bis zur Genehmigung des Kiesabbaus, besonders im Hinblick auf die Festlegung und Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen. Dringend angeraten wird zudem ein Überdenken der üblichen Begründungspraxis für Bauvorhaben im Außenbereich, da gerade im vorliegenden Fall sehr deutlich wird, dass die Anliegen des Arten-, Lebensraum- und Biodiversitätsschutzes zu wenig berücksichtigt werden.

 

*Abkürzungsverzeichnis:

 

CEF-Maßnahme

("continuous ecological functionality-measure") Maßnahme zur Sicherung der dauerhaften ökologischen Funktion einer Art bzw. eines Lebensraums (Begriff aus der Eingriffsregelung)

LEP

"Landesentwicklungsprogramm"

saP

"spezielle artenschutzrechtliche Prüfung" als Teil der Verfahrensunterlagen. In der saP wird geprüft, ob im Wirkraum des Bauvorhabens die artenschutzrechtlich relevanten Tier- und Pflanzenarten (Arten des Anhang IV der FFH-Richtlinie sowie europäische Vogelarten) von den bau-, anlage- oder betriebsbedingten Wirkun-gen des Bauvorhabens betroffen sind und artenschutzrechtliche Verbotstatbe-stände nach § 44 BNatSchG hervorgerufen werden

WP

"Wertpunkt" im Sinne der Eingriffsregelung zur Bewertung von Biotopen