Schutzgemeinschaft
Tegernseer Tal

 

Eine Kosmopolitin ist angekommen: Der erstaunliche Lebensweg von Angela Brogsitter­-Finck und ihr Einsatz für die SGT

„Die Natur ist kein Konsumgut“

Die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal polarisiert. Seit über einem halben Jahrhundert hebt die staatlich anerkannte Umweltvereinigung die Hand, wenn sie die landschaftliche und bauliche Ausgewogenheit des Tegernseer Tals bedroht sieht. Beifall und Respektbekundungen, aber auch Kritik und Beleidigungen bekommen vor allem jene Mitglieder ab, die in der Öffentlichkeit agieren. Allen voran, seit 19 Jahren, die Vorsitzende Angela Brogsitter-Finck. Sie wollen die Frau kennenlernen? Hier ist ein Portrait abseits der Schlagzeilen.

Längst ist der Tegernsee im Begriff, Sylt und Kitzbühel den Rang abzulaufen. Auf dem Immobilienmarkt spielen Milliardäre Monopoly, Waldhütten verwandeln sich in Luxus-Chalets, und auf einst stillen Almen gibt es statt Buttermilch heutzutage Mitternachts-Champagner und Shuttle-Service.
Tourismus und Zuzug werden im Tegernseer Tal weiterwachsen. Der Platz jedoch nicht. Umso mehr gilt es, das „Tafelsilber“ dieses landschaftlichen und kulturellen Kleinods im Auge zu behalten: über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaften und Bergwälder, typische Ortsbilder und historische Gebäude, Natur- und Landschaftsschutzgebiete.
Sonst, so eine häufig gehörte Befürchtung, „stehen wir eines Tages in einer Tegernseer Disneyworld“. Zu den wachsamsten Tafelsilber-Hütern zählt die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal. Durch seinen hartnäckigen, oft langjährigen Widerstand gegen so manche Bauvorhaben und Umweltfrevel ist der 1972 gegründete Verein über Bayerns Grenzen hinaus zu einer Institution geworden.

Eine Institution findet man auch in der ersten Vorsitzenden: Angela Brogsitter-Finck steht seit 2006 an der Spitze der gemeinnützigen Naturschutzvereinigung mit aktuell 450 Mitgliedern.
Die gebürtige Mainzerin ist dem Tal seit Jugendtagen verbunden. Dass sie heuteebenso entschlossen wie unerschrocken für die Bewahrung seiner Unverwechselbarkeit eintritt, hat auch mit ihrer eigenen Vita zu tun. Denn Angela Brogsitter-Finck hat viel gesehen von der Welt.

 

 


Angela Brogsitter-Finck (l.) in den 1970-er Jahren bei einem Empfang in New York.

Ihr erstes Tegernsee-Kapitel dauerte nur wenige Jahre. Als Teenager kam sie 1959 mit ihren Eltern undvier Geschwistern nach Gmund. Der Vater hatte dort in Festenbach für seine Familie das 1951 erbaute Haus Katharina mit großem Grundstück erworben. Angela war mit 17 Jahren allerdings schon wieder weg. Ein halbes Jahr Sprachunterricht nach Paris, danach stand für sie fest: Sprachen öffnen die Tür zur Welt. Zurück in München paukte sie zwei Jahre lang im Dolmetscherinstitut am Amiraplatz, dann hatte sie ihren Abschluss in Französisch, Spanisch und Englisch in der Tasche.

Ihr erster Arbeitgeber, die Bayerische Vereinsbank in München, übertrug ihr die gesamte englische und französische Korrespondenz des Vorstands und schickte sie ein Jahr später zum Praktikum an die „Banc de l‘Union européenne“ in Paris. Kurz nach ihrer Heimkehr packte sie erneut die Koffer, es ging in die USA. Nach einem halben Jahr bei der NY Hanseatic Corporation in New York bekam die erst 22-Jährige ein Angebot der Sonesta Hotel Corporation, der damals das berühmteste Hotel New Yorks gehörte: das „Plaza“ am Central Park. Angela Brogsitter blieb dort 18 Jahre lang, sie wurde in New York heimisch, auch privat. Mit An- fang Dreißig verliebte sie sich in den griechischen Juristen Christodoulos Pelaghias. Ein Jahrzehnt lebten sie gemeinsam in New York, auch der gemeinsame Sohn Julian kam hier zur Welt.

Später waren es wieder die Sprachen und ihre wachsende berufliche Expertise, die Angela Brogsitter-Finck neue Wege öffneten. Immer noch in den Staaten wechselte sie zu Chanel in die Welt der Mode, wo sie die gesamte französische Korrespondenz verantwortete. Es folgten einige Berufsjahre bei der Young Presidents‘ Organization, einer hochkarätigen Organisation von Führungskräften mit heute über 36.000 Mitgliedern in mehr als 142 Ländern, die sich dem Networking, der Weiterbildung und gegenseitigen Unterstützung von jungen Führungskräften widmet. Dann ein neues Kapitel, fast eine neue Welt: Die Marlborough Gallery, vom Handelsblatt mit dem Adjektiv„epochemachend“ geadelt, wurde zu Angelas neuem Arbeitgeber. Ihre Tätigkeit in der damals weltweit führenden Galerie für Nachkriegskunst war geprägt von Begegnungen mit einzigartigen Künstlern wie dem französischen Bildhauer Jacques Lipchitz, dem russisch-amerikanischen Maler Marc Rothko, dem "Picasso Lateinamerikas" Fernando Bolero, aber auch Francis Bacon, Henry Moore und Alex Katz.

Um zu illustrieren, wie sich der Bogen von der Millionenstadt New York und der bildenden Kunst hin zur Liebe für das Tal und seine Natur spannt, zitiert Angela Brogsitter-Finck frei nach dem Architekten Ludwig Mies van der Rohe (1886- 1969): „Schönheit ist für mich der Glanz und die Sprache der Wahrheit. Und die finde ich sowohl in der Natur wie in der Kunst.“
Für sie ist die Natur ein kostbares Geschenk, das sie glücklich, neugierig und wissbegierig macht. Mit zunehmendem Alter kann sie erkennen, wie schutzbedürftig und gefährdet unsere Umwelt ist, weil viele Menschen sie als reines Konsumgut betrachten, mit dem man achtlos und rücksichtslos umgehen kann. „Auch in New York, in dieser Weltstadt“, erzählt sie, „bin ich an den Wochenenden immer in die Natur geflüchtet.“ Was möglich war, da es rund um die Stadt sowohl Strände als auch grüne Oasen gibt.
 
 
 
 

1987 kehrte sie mit ihrem Sohn zurück an den Tegernsee, arbeitete dort in der Galerie Leu in Rottach-Egern und pflegte die Mutter bis zu ihrem Tod. Gleichzeitig begann ihr Engagement für den Umweltschutz, zuerst beim Bund Naturschutz und beim Landesbund für Vogelschutz. „Und als es 2001 mit der Hotelplanung für Gut Kaltenbrunn losging, dieser geplanten Zerstörung eines einma- ligen Kulturguts, kam es zur Neugründung der seit 1972 bestehenden SGT, die zu dieser Zeit kurz vor dem Auseinanderfallen stand“, erinnert sie sich. Bei der Präsentation der Umbaupläne fand sich eine Gruppe um Graf Ferdinand von Spiegel, Katharina und Johannes von Miller, Kathrin Weber und Alexandra Kraus zu einem Neustart zusammen. „Und ich war auch dabei“, lächelt sie. Nach jahrelangem Widerstand der SGT und anderer Akteure kippte der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einem spektakulären Urteil im Sommer 2008 das Bauvorhaben, weil der Bebauungsplan Denkmalschutz-Belange missachtete. Bis heute sind für Angela Brogsitter-Finck die menschlich schwierigsten Begegnungen aus nun 19 Jahren Vereinsvorsitz mit Gut Kaltenbrunn verbunden, darunter Auseinandersetzungen mit politischen Vertretern und Gegnern, welche die SGT öffentlich als „Schmutzgemeinschaft“ diskreditierten.

Auf die Frage, was sie jenseits der 80 noch immer motiviert, lacht sie: „Meine rheinische Frohnatur, nicht zu resignieren, mich mit jedem auseinanderzusetzen und immer wieder kleine Erfolge zu erleben.“ Kleine Erfolge, das sind für Angela Brogsitter-Finck und ihre Mitstreitenden etwa die Verhinderung des „Barfuß Hotels“ von Schauspieler Till Schwaiger und auch die Tatsache, dass es bis jetzt weder zur Westerhof-Erweiterung noch zur Errichtung des „Almdorfs“ neben dem Lieberhof kam. Arbeit gibt es genug. In den Schlagzeilen ist die SGT derzeit vor allem aufgrund ihrer gerichtlichen Auseinandersetzung um die sogenannte Saurüsselalm in Bad Wiessee oder im Zusammenhang mit dem Ausbau des denkmalgeschützten kleinen Bauernhofs „Weber in der Wies“ zum luxuriösen „Farm Estate Tegernsee“ mit Schwimmbad, Aufzug und Tiefgarage durch Kitzbüheler Investoren. „Hier werden wir uns weiterhin einsetzen“, verspricht die SGT-Chefin, „gewachsene Kultur, Tradition und intakte Natur müssen in der Planung erkennbar bleiben.“
Tatsächlich geht es dem Verein sehr häufig gar nicht um Verhinderung, sondern nur um das Überdenken des „Wie“ eines Vorhabens.

Wenn Angela Brogsitter-Finck über ihr Engagement spricht, merkt man: Da ist keine Verbitterung. Sie ist motiviert, herzlich, bescheiden. Täglich nimmt sie Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern entgegen, geht Missständen nach, schreibt Leserbriefe an die Zeitung ebenso wie die Newsletter an die Mitglieder und bespricht Projekte.

„Für mich gilt der Satz von Prof Dr. Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des BUND Naturschutz“, sagt sie zum Schluss und zitiert: „Ohne Na-turschutz gibt es keine menschliche Zukunft.“
Diese Überzeugung will sie mit ihrem Engagement, bei SGT- Veranstaltungen oder beim regelmäßigen offenen SGT-Stammtisch möglichst vielen Menschen vermitteln.
„Ich gebe nicht auf und ich bin glücklich über jeden einzelnen, der sich für den Erhalt unserer natürlichen Lebensräume einsetzt.“

 

SUSANNE HEIM für das Tegernseer Tal Heft

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