Vom Ausgleich betroffen ist eine seeseitige Schilfröhrichtzone, bestehend aus einem LandSchilfröhricht und einem wasserseitig vorgelagerten Wasser-Schilfröhricht.
Die Fläche ist biotopkartiert unter der Biotop-Nr. 8236-0156-004 und ist nach § 30 BNatSchG gesetzlich geschützt.
Für sie gilt also ein Verbot von Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung führen können. Nach § 30(4) gilt jedoch folgende Einschränkung:
"(4) Sind auf Grund der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen Handlungen im Sinne des Absatzes 2 zu erwarten, kann auf Antrag der Gemeinde über eine erforderliche Ausnahme oder Befreiung von den Verboten des Absatzes 2 vor der Aufstellung des Bebauungsplans entschieden werden."
Hier ist zu beachten, dass der Antrag vor Aufstellung des Bebauungsplans zu stellen ist.
Die betroffene Röhrichtzone ist zusätzlich durch die Tegernsee-Schutzverordnung besonders geschützt: Teilfläche 4: Schilf- und Röhrichtzone westlich des Mangfallausflusses (nördlicher Seebereich).
Die geschützte Fläche wird textlich folgendermaßen umrissen: "Neben der mit Schilf und Röhricht bewachsenen See- und Verlandungsfläche schließt die Schutz-VO seeseitig einen 50-m-Umgriff freie Wasserfläche mit ein. Landseitig außerdem den Uferstreifen zwischen Uferfußweg und Wasserspiegel vom Fußgängersteg über die Mangfall bis zum künftigen Boots- und Badesteg von Spiegel beim ‚Strandbad Kaltenbrunn‘." Entlang des Fußwegs verläuft dieSperrgebietsgrenze im Abstand von 2 m von dessen seeseitigem Rand.
Über den Schutz des § 30 BNatSchG hinaus wird durch die Tegernseeschutzverordnung ein ganzjähriges Befahrungs- und Betretungsverbot zum Schutz des Lebensraums und seiner Bewohner festgelegt.
Auf dieser grünen Wiese, angrenzend an den öffentlichen Spazierweg am Gmunder Seeufer, soll das
Retentionsbecken zum Ausgleich für die Bebauung des Tegernseer Guggemos-Areals entstehen.
Darüber soll durch die VO die standortgemäße Vegetation gefördert werden, um die seetypischen Tiere und Pflanzen auch für die Zukunft zu erhalten.
Zu Ausnahmen und Befreiungen (die hier u.E. eigentlich nicht wirksam werden dürften) siehe Anlage.
Der Erhalt der Röhrichtzone westlich des Mangfallabflusses ist von prioritärer Bedeutung,
da es sich um den letzten Rest an Schilfröhrichten in diesem Bereich handelt.
Die früher auch östlich des Mangfallabflusses vorhandenen Röhrichte wurden von der Gemeinde Gmund vor Jahren aktiv entfernt, um den Erholungsbetrieb zu fördern.
Alle seither durchgeführten Anstrengungen zur Regeneration größerer Wasser-Röhrichtbestände blieben bisher weitgehend erfolglos.
Alle Eingriffe in den geschützten Röhrichtbestand sind aufgrund der geltenden Rechtslage, aber auch wegen des besonderen Wertes als letztes Reliktvorkommen
eines früher ausgedehnten Uferröhrichts am Mangfallabfluss abzulehnen.
Hinzu kommen folgende Gefährdungen, denen der geschützte Röhrichtgürtel bei Verwirklichung der Ausgeichsplanung ausgesetzt wird und die mit höchster Wahrscheinlichkeit zu einer (negativen) Veränderung der Artenzusammensetzung führen und damit Verstöße gegen § 30 BNatSchG und die Tegernseeschutzverordnung auslösen werden (dies gilt auch für den Fall, dass z.B. nur ein kurzes Rohr unter dem Seeuferweg eingebaut wird, das seeseitig nicht weiter als 2 m über den Weg hinausragt und damit außerhalb der Tegernseeschutzverordnung läge):
Das Schilfröhricht der geschützten Fläche ist repräsentativ für einen typischen Stillgewässer-Lebensraum. Schilf (Phragmites australis) erträgt in Stillgewässern starke Wasserspiegelschwankungen,
reagiert jedoch empfindlich auf Strömungen und starken Wellenschlag.
Durch die Verrohrung und Anbindung an ein Überlaufbecken nördlich des Seeuferwegs entstehen in diesem Lebensraum völlig untypische Strömungsbereiche, die zudem abwechselnd in beiden Richtungen (landwärts und seewärts) wirksam werden.
Diese Strömungszonen werden durch Förderung strömungstoleranter Arten unweigerlich zu stärkeren, für einen Stillgewässer-Lebensraum untypischen faunistischen und floristischen Artenverschiebungen führen. Je nach Bauausführung erscheint letztendlich sogar der Fortbestand des vorgelagerten Wasserschilf-Röhrichts durch das Vorhaben stark gefährdet.
Es widerspricht daher in eklatanter Weise § 1 der Tegernsee-Schutzverordnung. Insbesondere bei der Rückführung von Wasser aus dem Überlaufbecken in den See besteht die Gefahr erhöhter Nährstoffeinträge,
da das Becken innerhalb bewirtschafteter Flächen angelegt wird und bei Niederschlägen zusätzlich das Hang-ablaufwasser weiterer bewirtschafteter Flächen aufnimmt.
Erhöhte Nährstoffeinträge setzen die Standfestigkeit der Schilfhalme herab und wirken als Verstärker der ohnehin bereits durch die standortsfremde Strömung einsetzenden Vegetationsverschiebungen.
Daher muss der Fortbestand des Biotops bei Verwirklichung des Vorhabens mittel- bis langfristig in Frage gestellt werden.
Von daher steht die maximal mögliche Retention in keinem Verhältnis zu den negativen Folgen für einen Lebensraum, der sich durch einen besonders hohen Erhaltungswert auszeichnet.
So sind 32 Schmetterlingsarten auf das Vorhandensein des Schilfs angewiesen und nutzen es als Raupenfutterpflanze bzw. Larvalhabitat.
Die Uferröhrichte bieten Schutz und Unterschlupf für Jungfische und dienenzahlreichen, z.T. hoch spezialisierten und seltenen Vogel- und Libellenarten (z.B. Kleine Zangenlibelle, stark gefährdet, vom Umweltministerium dort kartiert) als Bruthabitat. Ihrem Erhalt muss deshalb absoluter Vorrang eingeräumt werden.
Aufgrund der Unvereinbarkeit mit den gesetzlich festgelegten Schutzzielen und des hohen Gefährdungspotentials für den Lebensraum muss das Vorhaben abgelehnt werden.