Die Stadt Tegernsee plant die Erweiterung der bestehenden Tiefgarage unter dem Kurgarten. Es sollen zu den bisher 95 Stellplätzen weitere 158 (laut Machbarkeitsstudie) hinzukommen. Insgesamt also 253! Hierfür müssten alle 19, zum Teil imposante Linden weichen. Die SGT bat den Bund Naturschutz um eine Stellungnahme, um Zustand und Bedeutung der Bäume beurteilen zu können. Diese bestärkt uns in unserer ablehnenden Haltung!
Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e.V. zu den Linden im Kurpark Tegernsee
Bei den Linden im Kurpark handelt es sich um insgesamt 19 Bäume, die eine rechteckige Rasenfläche zwischen dem Therapiezentrum und dem Gulbransson Museum auf der West- und Ostseite in jeweils einer Reihe säumen. Die beiden Baumreihen gliedern den terrassenartig angelegten Kurpark und bilden zusammen mit der Hecke vor der Bühne im einen würdigen Rahmen für diesen Ort.
Zahlreiche Sitzbänke unter den Linden lassen auf eine hohe Aufenthaltsqualität unter den Bäumen schließen. Besonders an warmen Sommertagen lädt der kühlende Schatten mit Sicherheit viele Besucher*innen zum Verweilen ein. Selbst an einem verregneten Septembertag waren zahlreiche Menschen im Park zu beobachten, da sich dort neben einer medizinischen Therapieeinrichtung auch das Gulbransson Museum befindet. Es handelt sich also um einen Ort, der regelmäßig frequentiert wird.
Die Bäume sind mit Nummern-Plaketten versehen, was auf die Erfassung in einem Baumkataster schließen lässt.
Die Linden auf der östlichen Seite sind schwächer und vermutlich auch jünger als die Bäume auf der Westseite. Unter diesen finden sich 5 der insgesamt acht mächtigen Exemplare, die einen Stammumfang von rund zwei Metern (gemessen in 1m Höhe) aufweisen. Damit sind diese Bäume auffallend stark und zählen zu den prägenden Elementen im Kurpark. Besonders die dicksten Linden in der westlichen Reihe fallen durch teils weit ausladende andelaberförmige Kronen auf. Diese machen sie zu sehr imposanten und beeindruckenden Baumgestalten.
Die Bäume sind durchweg vital mit einer üppigen, sattgrünen Belaubung, was angesichts der letzten Trocken- und Hitzesommer sehr erfreulich ist. Auch die erkennbaren Zuwachsstreifen im Rindenbild einiger Exemplare zeigen, dass die Linden wachsen und sowohl Holzmasse als auch Blattmasse aufbauen.
Die gute Vitalität der Bäume lässt sich auch an dem starken Wiederaustrieb nach den Kappungen ablesen. Alle Bäume haben nach dem massiven Rückschnitt wieder üppig ausgeschlagen. Das ist sehr erfreulich, weil der starke Austrieb auf vitale und leistungsfähige Bäume schließen lässt.
Der Standort der Linden ist kaum gestört, die westliche Baumreihe steht in einem Grünstreifen, die östliche Baumreihe steht in der Rasenfläche und ist nur einseitig durch einen Asphaltbelag beeinflußt. Dieser Umstand und die starke Vitalität der Bäume lassen auf eine gute Wurzelentwicklung schließen.
Bei näherer Betrachtung der Linden fällt auf, dass alle Bäume Kappungen im Kronenbereich aufweisen. Bei Kappungen handelt es sich um Abschneiden größerer Äste und/oder Astteile. Besonders an den älteren und stärkeren Bäumen ist dies an zahlreichen Morschungen, Höhlungen und Rissen in unterschiedlichen Ausprägungen erkennbar.
Diese stellen wichtige Habitatstrukturen für Insekten und auch höhlenbrütende Vögel dar. Eventuell sind auch bereits geeignete Fledermausquartiere entstanden.
Diese Strukturvielfalt leistet einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt innerorts, wo alte und strukturreiche Bäume immer seltener werden. Linden sind während ihrer Blüte zudem eine wichtige Nahrungsquelle für Bienen und anderen Insekten.
Linden gehören zu den Baumarten, die sehr schnittverträglich sind und Verletzungen besonders gut abschotten und damit gegen Pilze und Fäule verteidigen können. Deshalb sind Linden auch so langlebig. Die Tassilolinde in Wessobrunn ist da nur ein Beispiel von zahlreichen imposanten Linden in Bayern. Wie keine andere Baumart sind sie außerdem besonders stark in unsere Kulturgeschichte eingebunden: Gerichtslinden, Dorflinden, Tanzlinden, Friedenslinden... Sie sind Orte des gesellschaftlichen Lebens, des Beisammenseins und finden sich auch in zahlreichen Gedichten und Liedern wieder.
Die unsachgemäßen Schnitte der letzten Jahre (bei den Jungbäumen) und der letzten Jahrzehnte (bei den Altbäumen) bedürfen jedoch einer behutsamen, nachhaltigen und besonders fachkundigen Pflege um die Bäume langfristig zu erhalten. Durch den üppigen Wiederaustrieb ist bei den Altbäumen eine starke Ständerbildung entstanden. Diese Ständer haben mangels Nachpflege inzwischen einen Durchmesser von meist über 10 cm an der Stämmlingsbasis erreicht. Eine Pflege sollte hier aufgrund der Stärke der Ständer und der vorhandenen Habitatstrukturen unbedingt von versierten Fachleuten mit einer entsprechenden Ausbildung (z.B. Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung), Erfahrung und Referenzen unter Beachtung der einschlägigen Richtlinien und Regeln der Technik (ZTV-Baumpflege) und des Artenschutzes durchgeführt werden. Die Folgen der unsachgemäßen Kappungen werden eine behutsame und kontinuierliche Pflege erfordern.
Die Pläne die Bäume einer Tiefgarage zu opfern würden einen optischen wie ökologischen Schaden bedeuten. Ob Bäume dieser Größe unter den rasant wandelnden Klimabedingungen an dieser Stelle je wieder heranwachsen können ist zu bezweifeln. Beim Bau einer Tiefgarage würde außerdem eine so starke unterirdische Versiegelung stattfinden, dass dort kein Großbaum Chance auf einen langfristigen Standort hätte. Tiefgaragendecken sind Standorte auf Zeit bis zur nächsten Sanierung und deshalb für Großbäume ungeeignet. Auch das unmittelbare Umfeld von Tiefgaragen bietet in der Regel kaum baumfreundliche Bedingungen und ist nach meiner Erfahrung sehr konfliktträchtig, was Baumpflanzstandorte betrifft.
Die beiden Lindenreihen sind mit ihrer imposanten Erscheinung stark ortsbildprägend und durch ihre Strukturvielfalt ein wichtiger Beitrag zur Biodiversität in Tegernsee. Da die Bäume außerdem sehr vital sind, sind sie unbedingt erhaltenswert und sollten dementsprechend gepflegt werden.
Der Bau einer Tiefgarage würde nicht nur die Fällung dieser wunderschönen Bäume bedeuten, sondern auch einen dauerhaften Verlust von Großbäumen in diesem Park. Nach dem Bau einer Tiefgarage wäre kaum mehr Platz für Baum-Neupflanzungen. Unter den dann herrschenden Bedingungen und Platzverhältnissen könnten sich in frühestens 50 Jahren die Nachpflanzungen zu ähnlich großen Bäumen entwickeln wie sie heute im Kurpark stehen.
Es stellt sich die Frage, was wir den nachfolgenden Generationen hinterlassen wollen.
Die Stellungnahme wurde anhand des Zustands der Bäume am 16. September 2021 erstellt.
Hier finden Sie die Stellungnahme als PDF
Angela Burkhardt-Keller,
Dipl. Ing. Forst (FH), zertifizierte Baumkontrolleurin (FLL)